Flashmag interview

Graffiti – Subversives Element oder Mainstream? Kunst oder Revolte? Wir haben mit Z-Roc gesprochen. Z-Rok? Wer sich diese Frage stellt, ist wohl nicht in der bayrischen Landeshauptstadt beheimatet. Z-Rok ist einer der Münchner Pioniere in Sachen Graffiti. Dass aber dies nicht seine einzige künstlerische Ausdrucksform ist, wird sich im Interview zeigen. Ein Gespräch über die Entwicklung der Szene und das doch noch vorhandene revolutionäre Potential.

Flashmag: Wie bist Du zu Graffiti, zur Kunst gekommen?

ZROK: Schon als kleines Kind habe ich gemalt und das ist mir geblieben. Zur Sprühdose hab ich dann ab 83´ gegriffen. Das ist also auch schon eine Weile her.

Flashmag: Was damals Deine Projekte? Warst Du an den Flohmarkt-Hallen aktiv?

ZROK: Nein. An der Dachauer Strasse waren zwar ziemlich viele, zum Beispiel Cemnoz, Katmando, Mitch und Cowboy, auch Loomit und Won waren da unterwegs. Für mich war das aber kein Thema, ich hab zu der Zeit eher illegal was gemacht.

Flashmag: Was war im Anschluss Dein Ding?

ZROK: Viele Ausstellungen mit verschiedenen Leuten zu machen, auch aus dem europäischen Umland. Und ansonsten Wandprojekte. Die ersten Geschichten waren mit sieben Leuten, zusammengefasst unter dem Projekt  Virus. Aber auch davor habe ich mich gezeigt und Ausstellungen mit Flin, Zher und Start gemacht. Statt gefunden hat das ganze in der U-Bahn Galerie, in der Studentenstadt und an der University of Maryland. In der Folge habe ich mit Flin kleinere Sachen in einer Werbeagentur gemacht. Dann später ging es mit den anderen Ausstellungen weiter.

Flashmag: Was ist denn eigentlich Graffiti? Kunst, Abenteuer, Statement?

ZROK: Alles zusammen. Was für eine Frage. Das kann nur jeder für sich beantworten. Aber es ist schon schwer. Eigentlich ist alles Graffiti. Jeder Spruch, jedes noch so kleine Ding ist Graffiti.

Flashmag: Siehst du da eine klare Unterscheidung?

ZROK: Nein. Ich unterscheide nicht.  Klar kann man Unterscheidungen treffen. Graffiti ist für die meisten Leute mit Sprühdosen verbunden. Aber wenn man in das Lexikon schaut geht es um Wandkratzen oder malen und sprühen in irgendeiner Form. Irgendwann in den 70er und 80er Jahren kamen dann Sprüche auf. (Wir haben mal in Meyers grosses Taschenlexikon geschaut. Graffiti: (italienisch) Plural, 1. Bezeichnung für Kratzputz (Sagraffito).  2. auf Felsen, Mauern oder Wandflächen eingeritzte oder aufgekritzelte Texte und Zeichnungen, an Hauswänden oder in öffentlichen Toiletten schon seit der Antike bekannt.) Was ist Graffiti wirklich? Ich würde sagen, dass es sich hauptsächlich um Stylewriting und Charakter malen handelt, wie man es aus New York kennt. Als ich 1981 in New York war, hab ich Graffiti zum ersten Mal gesehen und darüber gelesen. Da hat es für mich angefangen.

Flashmag: Wenn man so lange dabei ist, akzeptiert man alles, auch wenn es nicht so gut gemacht ist oder hat man irgendwann einen „künstlerischen“ Anspruch?

ZROK: Eigentlich akzeptiere ich alles. Das sieht man auch hier in der Färberei und daran, mit wem ich abhänge. Die Leute müssen auch nicht sprühen. Es geht viel weiter, es geht viel tiefer. Es muss mit Graffiti nichts mehr zu tun haben. Graffiti ist auch nicht das ausschlaggebende für mein Künstlerleben. Ich mache zum Beispiel Kunsthandwerk oder habe schon Beratungsjobs für andere Künstler gemacht. Es geht um das was Spass macht und darum, welche Leute ich treffen kann. Ich male auch mal ein Bühnenbild für ein Bauerntheater. Wie gesagt, ich mache das, was Spass macht und wobei man verschiedene Techniken anwenden kann. Man kann mit Pinseln, Rollen, Fusssohlen oder Fingern malen. Egal. Ausdrucksmittel gibt es viele und die Sprühdose ist nur eins davon. Graffiti ist nur ein Ding. Dieses spaltet sich dann wieder auf, zum Beispiel ist U-Bahn bemalen dann eben auch nur ein weiteres Subthema..

Flashmag: Wenn du es gerade ansprichst, die Bahn hatte mal eine Kampagne, die Züge innerhalb von 24 Stunden sauber zu bekommen. Glaubst du, dass so etwas funktioniert?

ZROK: Es hat im kleinen funktioniert. Aber im großen klappt das nicht. Es wird Leute geben, denen es egal ist auf was sie malen. Deshalb: die haben den Kampf nicht gewonnen. Noch nicht und werden es auch nicht.

Flashmag: Es klingt alles ein bisschen revolutionär. Ist Graffiti noch subversiv?

ZROK: Was ist revolutionär? Graffiti hat sich etabliert. Aber die meisten Writer sind junge Leute und die Revolution ist meistens in jungen Köpfen. Die Revoluzzer sind kleiner geworden. Es gibt Leute denen ist die Kunst wichtig und es gibt Leute die wollen zerstören. Aber politisch? Das ganze Leben ist politisch. Deshalb ist Graffiti nicht per Definition politisch. Es ist in sich politisch. Man kann aber Graffiti nicht in eine gerade Linie bringen. Es ist so individuell.

Flashmag: Ist Graffiti nicht schon Mainstream?

ZROK: Ja, mit einem dicken aber. Graffiti hat sich schon lange etabliert. Schon lange verdienen Leute Geld damit. Aber wenn man rausgeht, sieht man noch immer illegale Tags. Bilder an S-Bahnen und Brücken gibt es weiterhin. Die Leute haben auch neue Medien entdeckt. Aufkleber und Schablonen. Man findet neue Wege.

Flashmag: Fällt das nicht auch unter das Graffitigesetz?

ZROK: Ja, aber man konnte noch nie wild plakatieren. Aber wie gesagt, die Leute finden immer neue Wege. Dann sägt man aus einem Baumstumpf etwas heraus oder arbeitet mit Müll. An der Isar wird mit Steinen und Treibgut etwas gebaut. Da ist auch Graffiti-Style wenn man so will. Es ist noch draussen. Wo ist die Grenze? Das Sprühen und die Sachbeschädigung haben sie eingegrenzt, natürlich. Auch deshalb sind viele andere Wege gegangen um den harten Strafen zu entgehen.

Flashmag: Du hast am Anfang deiner Karriere eine kleine Pause gemacht. Warum?

ZROK: Naja, Pause. Ich war vielleicht nicht so präsent. Die Staatsmacht hat mir etwas Probleme bereitet. Ich wurde von jemand verpfiffen. Die Polizei hat im Zuge dessen mein Zimmer durchsucht. Es gab eine Verhandlung, wobei die Strafe relativ mild ausgefallen ist. Ich habe dann mein Zeug gepackt und bin gegangen. Ich war zwar im Hip Hop verwurzelt, war aber auch in anderen Sachen drin und hab mich wieder in diese zurückgezogen. In Funk und Punk. Ich war dann damit beschäftigt, Punkjacken anzumalen und habe den Punks gezeigt, wie man Anarchiezeichen besser malen kann. Als es nicht mehr ging, bin ich zurück gekommen in die Hip Hop Szene, mit Iro und Punkjacke. Ich wurde beschimpft, ich hätte die Szene verraten.

Flashmag:  War die Unterscheidung der Stile immer schon so krass?

ZROK: Die Szene war immer elitär. Jedoch, wenn man, wie ich, mit Punk aufgewachsen ist, war trotzdem auch Hip Hop geil. Alles neue und subversive war gut. Vielleicht hatte man früher doch mehr zusammen gemacht. Punk, Hip Hop und Funk waren näher. Früher hat man auch im Hip Hop vielseitiger agiert. Man hat sich nicht auf eine Art spezialisiert, sondern versucht in allen Bereichen mitzumischen.

Flashmag: Wie sieht das jetzt  bei Dir aus? Du hast Familie. Bist Du noch mit Graffiti verbunden?

ZROK: Da ich nicht nur spraye, ist Kunst ja immer präsent. Kunst ist mein Beruf. Im Graffiti Bereich, würde ich mich wie bereits angesprochen, dem Style-Writing zuordnen. Kaligraphie ist einfach mein Ding. Buchstaben sind mein Ding. Es taugt mir halt, die schön zu machen und dann 3D zu basteln. Aber wenn du Rausgehen meinst, dann rausgehen  aus sich. Aber bomben, nein,  ist ja illegal. Aber ich gehe viel durch die Stadt, da sieht man immer viel. Es inspiriert einen jeden Tag. Man sieht Styles und Tags. Es reizt einen auch immer noch im „Alter“. Wenn man selber viel gemacht hat und sieht es geht weiter. Ich denke schon das ich raus geh, mich inspirieren lasse und auch selbst aktiv bin, bis ich in die Grube fahre. Aktiv bin ich in meinem ganzen Leben, auch wenn ich den Rasen mähe, mach ich Styles. Nur mit der Dose etwas zu machen ist mir zu wenig. Ich lebe Kunst, aber nicht weil es gut kommt, sondern weil es einfach raus muss.

Flashmag: Wie ist das bei Dir mit Computer Sachen? Grafiken am Rechner?

ZROK: Ich bin eher schon der haptische Typ. Ich muss das Objekt schon mit der Hand fühlen. Ich will mit Materialien arbeiten und diese verändern. Obwohl, Arbeit am Computer es ist ja auch viel Handarbeit und Kopfarbeit. Aber auch die eigentliche Handarbeit ist Kopfarbeit. Und nun wo die Computer immer schneller werden, reizt es mich schon. Ich hab es nur nicht so mit Fotos.  Die können die Realität nicht ersetzten. Graffitihefte sind je nach Qualität halt Playboy oder Wichsheftchen für Sprayer und komische Fameleute. Man muss den Zug, zum Beispiel, live gesehen haben, auf Foto geht das nicht. Dasselbe gilt für Videos. Live action in Videos gehen noch. Aber das ist doch Pornografie. Man muss rausgehen und das selber machen. Oder einen Zug draussen sehen. Es wirkt besser das Ding live zu sehen. In der Landschaft einen Whole car oder einen Whole train zu sehen berührt mich anders.

Flashmag: Ist München eine gute Graffiti-Stadt?

ZROK: Ja. Es sind viele Leute aus anderen Städten hier her gekommen. Warum kommen die Leute? Warum

sind hier immer noch so viel alte Writer aktiv. Obwohl man es in Bayern schwer hat? Ich denke München ist ganz gut.

Flashmag: Was ist wichtig an Graffiti?

ZROK: Graffiti ist aktuell. Und das seit so lange. Und man kann damit bzw. man könnte damit gut Geld verdienen. Und man muss sich nicht verkaufen. Weil man ja nur seinen Style, sein Know how verkauft.